
Prävention und Schutz vor sexueller Belästigung, sexualisierter Diskriminierung, Gewalt, Mobbing und Stalking
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Umgang mit sexueller Belästigung
Definition
Klar definiert ist sexuelle Belästigung durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als ein unerwünschtes, sexuelles Verhalten, das zur Folge hat, dass sich die betreffende Person in ihre Würde verletzt fühlt. Konkret äußern kann sich dies beispielsweise in Form von
- Sprache, z.B. durch sexistische Kommentare, Sprüche, Witze oder aufdringliche Fragen zum Privatleben
- Unerwünschtem Körperkontakt, wie z.B. dem Anfassen von intimen Körperteilen, eventuell „getarnt“ als versehentliche Berührung
- Körpersprache wie z.B. sexistische Gesten oder aufdringliche Blicke
- Zeigen von pornographischem Material oder Exhibitionismus
- Sexueller Nötigung bis hin zu Vergewaltigung
In der Theorie lässt sich das klar in Worte fassen. In der Realität ist es mitunter nicht so leicht für die Betroffenen, in der konkreten Situation zu erkennen, dass das Verhalten anderer für sie selbst nicht in Ordnung ist. Das macht es schwierig, vor allem auf scheinbar harmlose Vorfälle, die " wahrscheinlich gar nicht so gemeint waren", adäquat zu reagieren. Die einen müssen also lernen, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und kundzutun, die anderen diese ebenso als Grenzen zu erkennen und zu wahren. Denn entscheidend ist nicht die Absicht hinter dem Verhalten, sondern wie dies bei der betroffenen Person ankommt, welche Gefühle es auslöst. Darf man jetzt also nicht mal mehr Witze machen?! Natürlich darf man. Außer jemand fühlt sich davon wirklich verletzt, da hört der Spaß auf.
Sexismus = Sexuelle Belästigung?
Nein. Sexismus ist ein umfassender Begriff, der hinsichtlich Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch generelle Überzeugungen und Einstellungen einschließt. Sexuelle Belästigung hingegen bezieht sich immer auf ein konkretes Verhalten, welches nach Definition des AGG dazu führt, dass sich eine Person unwohl fühlt, weil sie in ihrer Würde verletzt wurde.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Ursächlich vermuten Expert*innen hinter dieser Form der Grenzüberschreitung in den seltesten Fällen tatsächlich sexuelles Interesse. Eher erscheint es als eine Art Machtspiel, die innerbetrieblichen Machtverhältnisse zu sichern oder sich über die eigene Position Vorteile auf Kosten anderer herauszunehmen. So zeigte eine Umfrage des BMFSFJ von 2004 in den meisten Fällen ein großes Machtgefälle zwischen Tätern und Opfern.
Gesundheitlich kann sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz besonders belastend für die Betroffenen sein, da die finanzielle Abhängigkeit ein schnelles Vermeiden der unangehmen Situation unmöglich macht. Eben dieses finanzielle Abhängigkeitsverhältnis und die Angst, durch eine Beschwerde die eigene Karriere oder gar den Job zu gefährden, macht es vielen Betroffenen schwer, sich zu wehren. Allerdings wissen erschreckend wenige ArbeitnehmerInnen über ihre eigenen Rechte Bescheid - das auch zum Nachteil des Betriebs, denn nicht nur die direkt Betroffenen leiden unter sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Die Zusammenarbeit im Team wird gestört, Vertrauen, Kooperation und Kreativität sinken und der Arbeitgeber muss krankheitsbedingte Abwesenheit und Personalabgänge der Betroffenen verzeichnen.
Intervention:
Im konkreten Belästigungsfall ist der Arbeitgeber verpflichtet, zu helfen, das heißt geeignete Maßnahmen (je nach Schwere des Vorfalls Abmahnung, Versetzung, Kündigung) zu veranlassen, um die Belästigung zu stoppen und in Zukunft zu verhindern (AGG §12,13).
Prävention:
- Sexuelle Belästigung thematisieren - Sensibilisierung und Aufklärung bei Personalversammlungen, über Informationsschreiben, Umfragen/ Bestandsaufnahmen)
- Die Mitarbeitenden über ihre Rechte informieren – das AGG bekannt machen
- Innerbetriebliche AnsprechpartnerInnen benennen
- Beschwerdeverfahren klar regeln
- Regelmäßige Schulungen durchführen
- Betriebs-/Dienstvereinbarungen zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schließen
- Unterstützerorganisationen bekannt machen - Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Opferschutzorganisationen, Frauennotrufe
Gesetzliche Grundlagen
Nur jeweils 4% der von sexueller Belästigung betroffenen Frauen gingen laut einer Umfrage der europäischen Fundamental Rights Agency von 2014 zur Polizei oder meldeten den Vorfall ihrem Arbeitgeber. Weniger als 1% wanden sich an Rechtsanwalt, Gewerkschaft oder andere Opferschutzeinrichtungen.
Sexuelle Belästigung zu verhindern ist Pflicht des Arbeitgebers
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Mitarbeitenden vor sexueller Belästigung an ihrem Arbeitsplatz zu schützen – gesetzlich festgeschrieben im Paragraf 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dafür müssen geeignete Vorkehrungen getroffen werden, insbesondere um sexuelle Belästigung in ihrem Unternehmen schon vor der Entstehung zu unterbinden / durch präventive Maßnahmen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Der Gesetzgeber sieht hierfür als wichtigen Grundbaustein die Schulung der Mitarbeitenden im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, um diese für das Thema zu sensibilisieren und die Benachteiligung von Mitgliedern des Teams wirkungsvoll zu verhinden.
Gewahrte Würde
In Paragraf 1 des Grundgesetzes ist dem Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens Ausdruck gegeben: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt“ Dazu gehört die Möglichkeit zur freien Persönlichkeitsentfaltung, solange diese nicht auf Kosten anderer ausgeübt wird (GG §1, Art. 2). Im Bezug auf die Situation am Arbeitsplatz lässt sich daraus ableiten, dass sich das eigene Verhalten im Kollegium daran orientieren muss, ob dieses Verhalten für die KollegInnen unangenehm ist, sprich ihre individuellen Grenzen respektiert und somit ihre Würde wahrt.
Am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden - Ihre Rechte:
- Beschwerderecht
- Maßregelungsverbot (§16 AGG)
- Leistungsverweigerungsrecht (§14 AGG)
- Ansprüche auf Schadensersatz (§15 Abs. 1 AGG) und Entschädigung (§15 Abs. 2)
Regelungen und Gesetze
- Grundgesetz §1, Art. 1 und 2
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) § 1 - Ziel, § 3 - Begriffsbestimmung, § 12 – Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers, § 13 – Beschwerderecht, § 14 Leistungsverweigerungsrecht
- Strafgesetzbuch § 177 – Sexuelle Nötigung: Vergewaltigung, § 240 – Nötigung
- Strafgesetzbuch § 184i - seit 2017 gilt das neue Sexualstrafrecht mit dem Grundsatz „Nein heißt Nein“. Es kommt bei sexualisierten Übergriffen nicht mehr darauf an, ob mit Gewalt gedroht oder diese angewendet wurde. Entscheidend ist: Das Opfer hat die sexuelle Handlung nicht gewollt hat.
Verhandlungen vor Gericht
Die Umsetzung eines Gesetztes ist in der Praxis immer abhängig von der Beurteilung des Einzelfalls. Folgende Beispiele sind verbriefte Fälle sexueller Belästigung:
- Schlag auf das Gesäß (BAG 9.6.11, 2 AZR 323/10, NZA 2011, 1342)
- Umfassen der Hüften/Griff nach dem Po (ArbG Berlin 27.1.12, 28 BV 17992/11)
- Drücken des Beckens an das Gesäß (LAG Mecklenburg-Vorpommern 14.8.12, 5 Sa 324/11)
- Berührung der weiblichen Brust und des Schambereichs (VG Meiningen 8.12.11, 6 D 60012/11 ME)
- Heimliches Fotografieren des Gesäßes (LAG Rheinland-Pfalz 3.11.09, 3 Sa 357/09)
- Anfassen von Rücken, Schulter, Oberschenkel (LAG Rheinland-Pfalz 24.10.07, 8 Sa 125/07).
Gesundheitliche Folgen
Die Erfahrung, sexuell belästigt worden zu sein, kann Betroffene traumatisiert zurücklassen. Der Angriff beziehungsweise die Verletzung der seelischen und/oder körperlichen Integrität einer Person kann diese psychisch stark belasten und weitreichende gesundheitliche Probleme zur Folge haben.
Medizinische Aspekte
Unmittelbare Gefühle als Reaktion auf erlebte sexuelle Belästigung sind oft Sprachlosigkeit und Schock, gleichzeitig Ärger, Entsetzen und Wut. Oft schämen sich die Betroffenen, sprechen mit niemandem über den Vorfall und bleiben allein zurück mit dem Gefühl der Verletzung, Erniedrigung und Ohnmacht. Hinzu kommt oft die Angst, sich falsch verhalten zu haben, Selbstzweifel und Schuldgefühle nagen am eigenen Selbstwertgefühl ebenso wie das Gefühl der Hilflosigkeit und der Demütigung, sich in der Situation selbst nicht gewehrt zu haben.
Im psychosozialem Kontext erleben die Betroffenen in Folge oft vermehrt Schwierigkeiten im sozialen Umgang und tun sich schwer mit unbeschwerter sozialer Interaktion. Gesundheitlich leiden sie vor allem unter Konzentrations- und Schlafstörungen, Kopf- und Magenschmerzen sowie Erschöpfungszuständen mit depressiver Verstimmung bis hin zu Panikattacken und Depressionen.
So oder so ähnlich...
„ ... ich schäme mich bei der Vorstellung, von ihm in der Öffentlichkeit erniedrigt zu werden. Eigentlich müßte ich in der Lage sein, ihn zu stoppen, aber ich stehe wie paralysiert da und weiß nicht, wie ich mich wehren soll. Das Schlimmste ist das Gefühl der Hilflosigkeit, dieser Demütigung nichts entgegensetzen zu können....“
„ ... schon bevor ich ins Zimmer gehe, kommt die Angst wieder, denn ich weiß nie, ob er mir wieder zu nahe kommen würde oder nicht. Ich kann mich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren, am liebsten würde ich gar nicht mehr hingehen...”
Beratungsstellen an der Charité
Zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (alle Beschäftigten, Studierende): frauenbeauftragte@charite.de
MediCoach (Studierende): medicoach(at)charite.de
Gewaltschutzambulanz (Dokumentation körperliche Verletzungen / alle Beschäftigten): gewaltschutz-ambulanz(at)charite.de
Weitere Informationen im Intranet.